Turnier-Ausschuss für Gesellschafttanz



Turnierausschuss für Gesellschaftstanz - zwischen Eliteförderung, Volkskunst und Massenkultur

Tanz spielte in der DDR eine besondere Rolle: Klassisches Ballett und Tanz­theater waren auf vielen Bühnen der Republik zu sehen, darüber hinaus erfüllten aber auch Folklore und Massenchoreographien wichtige Funktionen im ›künstlerischen Volksschaffen‹ der DDR. Zwischen Eliteförderung, Volkskunst und Massenkultur war die Tanzlandschaft im Rückblick ein komplexes Gefüge unterschiedlicher Praktiken, Interessen und kaum erforscht.

Es werden drei Bereiche unterschieden: 1.) Institutionen: Ausbildungsstätten, also Ballettschulen oder Lehrgänge für Volkstanz, außerdem Organisationen zur Vermittlung von Tanz, wie das Zentralhaus für Kulturarbeit ( z.B. daraus hervorgegangenes Tanzarchiv Leipzig) sowie Feste bzw. Festivals und Tanzensembles; 2.) die Tanzpraxis in den jeweiligen Tanzformen: Ballett, Künstlerischer Tanz, Tanztheater, Volkstanz und Gesellschaftstanz sowie 3.) die Akteure: Pädagogen, Tänzer, Choreographen, kulturpolitische Persönlichkeiten, deren individuelle Perspektive zur Geltung kommt. Gleichzeitig befand sich die DDR stets in einem Wettbewerb der Systeme, der auch durch die Präsentation von Spitzenleistungen auf den Gebieten der künstlerischen Praxis ausgetragen wurde. Dabei kamen im Bereich der Ausbildung für professionellen Tanz ähnliche Prinzipien der Leistungssteigerung zur Geltung wie bei Musikern oder Spitzensportlern.
Am Beispiel des Tanzes in der DDR lässt sich auch der produktive Aspekt der Körperpolitik zwischen Inszenierung und Disziplinierung im Bezug auf individuelle wie auf kollektive Körper rekonstruieren. Unter Tanz-Politik ist von daher nicht nur die offizielle Politik zu verstehen, das Regierungshandeln des Staates oder ideologische Programme der Partei, sondern ebenso die Politik der Praxis und die Organisation alles Körper­lichen und Sinnlichen.

Die Auswirkungen des "Bitterfelder-Weges" (benannt nach den Bitterfelder Konferenzen 1959 und 1964) – mit dem eine sozialistisch-realistische Kunstauffassung durchgesetzt werden sollte, zugunsten einer stärkeren Beteiligung der Arbeiterklasse am künstlerischen Leben – betrafen auch den Gesellschaftstanz. Dessen Förderung und Ausbildung wurden durch die Arbeit der Kulturhäuser, insbesondere des Zentralhäuser für Kulturarbeit, institutionalisiert und kontrolliert. Bei der Veranstaltung von Festivals und die Unterstützung von Betriebstanzgruppen aller Art.

Nicht zuletzt der Gesellschaftstanz wurde in der DDR seit den 1950er Jahren als ein Feld der kultur- und körperpolitischen Einflussnahme des Staates begriffen, wie sich vor allem bei den Kampagnen gegen ›westliche Modetänze‹ und die Bemühung um sozialistische Formen geselligen Tanzes zeigte.

In den 1980er Jahren äußerte sich schließlich immer häufiger ein Bedürfnis nach geselligem Tanzen, wodurch zunehmend auch eine jüngere Generation angesprochen wurde. Die spätestens in den 1970er Jahren auch in der DDRaufblühende Folk-Bewegung basierte auf einem neuen Interesse an der Weitergabe von Tanzwissen sowie an der aktiven Beteiligung am Tanzen als ­einem gesellschaftlichen Freiraum. Damit wurde in den letzten Jahren der DDR die Trennung von Bühnenpräsentation und Publikum wieder aufgelockert, die sich bis dahin in der repräsentativen Volkstanzpraxis durchgesetzt hatte.