Kirchen in der DDR



Evangelische Kirche in der DDR

Christen stellten zum Zeitpunkt der Gründung der DDR (1949) mit ca. 92 Prozent eine deutliche Mehrheit ihrer Bevölkerung dar. Die größte Religions- gemeinschaft waren die evangelischen Landeskirchen, bis 1969 gesamtdeutsch in der EKD und anschließend im Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR organisiert, gefolgt von der römisch-katholischen Kirche.

Das Verhältnis zwischen DDR-Staatsführung und christlichen Kirchen war von Anfang an schwierig und voller Spannungen. Der atheistische Marxismus-Leninismus, die Staatsideologie der DDR, postulierte ein Verschwinden von Religion auf dem Weg zum Kommunismus, auf dem sich die SED sah. Die Kirchen waren für den Staat schon aus diesem Grund ideologische Gegner (Religion als „Opium des Volkes“), auch wenn in der DDR-Kirchenpolitik immer wieder harmonisierende Tendenzen vorhanden waren.

Die Kirchen konnten ihre eigenen Verhältnisse weitgehend eigenständig regeln. Es gab kirchliche Verlage und Zeitungen sowie eine Vielzahl von sozialen Diensten und Institutionen. Sie waren zudem auch bedeutende Flächeneigner und betrieben Landwirtschaft. Allein der Großprivatwald machte über 30.000 ha Fläche aus und bedingte eine bedeutende kirchliche Forstverwaltung mit eigenen Trachten und Abzeichen.

Dennoch versuchte die DDR, den Einfluss der Kirchen zurückzudrängen und vor allem junge Menschen kirchlichem Einfluss zu entziehen. Konfliktfelder waren der Streit um den Religionsunterricht, die Einführung der Jugendweihe, kirchliche Jugendarbeit, die Zulassung der Kinder von christlichen Eltern bzw. Kirchenmitarbeitern zur Erweiterten Oberschule und die Einführung des Wehrunterrichts.

Religionsfreiheit war in der DDR-Verfassung festgeschrieben und wurde formal auch gewährt. Dennoch unterlagen Christen verschiedenen Repressionen. Förderung religiöser Gemeinschaften von staatlicher Seite aus fand nicht statt. Es gab eine sehr strikte Trennung von Kirche und Staat.

Die überwiegende Mehrheit der Christen gehörte einer evangelischen Kirche an, katholische Christen konzentrierten sich vor allem in bestimmten Regionen. So waren 1989 etwa 5,4 Millionen Menschen Mitglied einer zum Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) gehörenden Kirche. Ungefähr eine Million Menschen gehörten der katholischen Kirche an. Weitere Religionen mit wesentlich weniger Mitgliedern waren 1989 die Neuapostolische Kirche (100.000), Methodisten (35.000), Zeugen Jehovas (30.000) und Baptisten (14.500). Darüber hinaus existierten zahlreiche weitere Freikirchen und Religionsgemeinschaften, die meist deutlich weniger als 10.000 Mitglieder aufwiesen.

Der Großteil der Bevölkerung gehörte gar keiner Religionsgemeinschaft an: 1988 waren insgesamt etwa 6,6 Millionen Menschen Mitglied einer religiösen Gemeinschaft, also knapp 40 %. Diesbezüglich ist eine wesentliche Veränderung zum Ende der DDR hin zu verzeichnen. 1949 waren noch ca. 90 % der Bevölkerung Mitglied einer Kirchengemeinschaft. 1979 waren es noch etwa 57 %, allein die Landeskirchen des BEK hatten noch etwa 8 Millionen Mitglieder.

 


Katholische Kirche in der DDR

Die katholische Kirche auf dem Gebiet der DDR befand sich seit der Reformation in einer Diasporasituation. Ausnahmen bildeten die bis heute katholisch geprägten Gebiete des Eichsfeldes, der thüringischen Rhön und der sorbischen Oberlausitz. Infolge des Zweiten Weltkrieges kamen zu diesen Katholiken in dem Bereich Mitteldeutschland ca. 1,5 Millionen katholische Flüchtlinge und Vertriebene hinzu. So entstanden zahlreiche neue Gemeinden und Seelsorgestationen. Bis heute gilt, dass die katholische Kirche hier entscheidend von Flüchtlingen geprägt ist. Erschwert wurde die Situation noch dadurch, dass außer den Bistümern Berlin und Meißen (bzw. Bautzen) kein Bischofssitz in der SBZ bzw. DDR lag.

Da die westdeutschen Bischöfe kaum in die DDR einreisen durften, erhielten die kirchlichen Verantwortlichen in der SBZ bzw. DDR schrittweise von ihren Diözesan-bischöfen jurisdiktionelle Vollmachten und wurden zu deren Weihbischöfen berufen. Die schwierige kirchenpolitische Lage erforderte zudem eine zentrale Führung, so dass der Vatikan 1950 eine „Berliner Ordinarienkonferenz“ als Regionalkonferenz der „Fuldaer Bischofskonferenz“ errichtete. Um die katholische Kirche in der DDR zu verselbständigen und die Jurisdiktionsgebiete der politischen Grenze anzupassen, wurden 1973 die Weihbischöfe zu Apostolischen Administratoren ernannt und 1976 die „Berliner Bischofskonferenz“ konstituiert. Zu einer Abtrennung von der Kirche der Bundesrepublik kam es jedoch nicht.

Die seelsorgliche Entwicklung der katholischen Kirche in der DDR gestaltete sich anders als in der Bundesrepublik. Notwendig war, die Gläubigen in der atheistisch und materialistisch geprägten Gesellschaft zu schützen und zu stärken sowie ideologische Freiräume zu schaffen. Unter den gegebenen Umständen bildete man eigene Formen aus, die immer auf die Gemeinden zentriert blieben.

Der Religionsunterricht war seit Beginn der 1950er Jahre aus den Schulen verdrängt worden. Man nutzte u. a. Katechesen in den Gemeinden und „religiöse Kinderwochen“ zur religiösen Erziehung der Kinder. Der staatlichen Monopolisierung des Bildungswesens wurden vielfältige kirchliche Angebote entgegengesetzt, die über die reine Vermittlung theologischer Inhalte hinausgingen.

Gesellschaftliche Präsenz konnte die Kirche nur im Rahmen der staatlich erlaubten Aktivitäten erreichen. (So wurden die karitative Tätigkeit in Krankenhäusern, Heimen und Kindergärten und der Einsatz für Randgruppen der Gesellschaft zum christlichen Zeugnis).

Die katholische Kirche befand sich in der DDR in einer doppelten Diasporasituation. Zum einen stellte sie konfessionell betrachtet nur eine Minderheit dar. Zum anderen lebten beide großen Konfessionen in einer ideologischen Diaspora, was zu Solidarisierungseffekten führte. Man war um ein Miteinander bemüht, und gelebte Ökumene spielte eine wichtige Rolle. In vielen aktuellen Fragen stimmte man sich ab und betonte mehr die Gemeinsamkeiten als die Verschiedenheit.


Jüdische Gemeinden in der DDR

In der DDR waren die Juden eine Art weißer Fleck in der Landschaft. Ihre Situation lässt sich gut an dem ablesen, was in der DDR über sie publiziert wurde:
- "Nämlich fast nichts!". Dass nach Kriegsende auf dem späteren Gebiet der DDR wieder jüdische Gemeinden gegründet wurden und auch ein Teil davon bis zum Ende der DDR existierte, wird deshalb heute oft vergessen.

Nach 1945 wurden einige jüdische Gemeinden in der SBZ/DDR neu gegründet. Die Mitglieder waren Überlebende der Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Einige dieser Mitglieder kamen als Remigranten aus dem Exil zurück. Besonders Remigranten haben sich meist bewusst für die Rückkehr in das Gebiet der SBZ und der späteren DDR entschieden. Sie hofften, an der Entstehung eines anderen Deutschlands beteiligt zu sein.

Die meisten der Remigranten traten keiner jüdischen Gemeinde bei, weil sie selbst nicht religiös waren oder sich überhaupt als Juden verstanden oder weil die religiös-nationalen Aspekte des Judentums nicht mit der Parteilinie vereinbar waren. Insofern waren sie als Juden für die Öffentlichkeit auch »unsichtbar« und spielten für das Judentum in der DDR kaum eine oder gar keine Rolle. Zum Beispiel: der Philosoph Ernst Bloch, der Komponist Hanns Eisler, der Karikaturist John Heartfield, die Literaturhistoriker Hans Mayer und Alfred Kantorowicz, die Schriftsteller Anna Seghers, Stefan Heym und Arnold Zweig, der Opernregisseur Walter Felsenstein, die Schauspielerin Helene Weigel, die späteren Mitglieder der Staatsführung Albert Norden und Hermann Axen.

In Berlin war die sowjetische Kommandantur unter Nikolai Bersarin zunächst sehr positiv eingestellt. Schon am 11. Mai 1945 fand der ersten Schabbat-Gottesdienst statt und bald wurde auch die JG zu Berlin wiedergegründet. 1946 gab es dann laut Volkszählung außer den ca. 2.500 Juden im Ostteil Berlins weitere 652 in Sachsen, 435 in Sachsen-Anhalt, 428 in Thüringen, 424 in Brandenburg und 153 Juden in Mecklenburg. Insgesamt also etwa 4.500 Personen.

Doch dann sank die Zahl der Gemeindemitglieder bald wieder in rasender Schnelligkeit: Bei der Gründung der DDR 1949 waren nur noch 1.150 Juden und 1952 unter 1.000 registiert. Die JG in Zittau, Zwickau und Plauen mussten wegen Mitgliederschwund aufgelöst werden. Die verbleibenden acht Gemeinden – Ost-Berlin, Leipzig, Dresden, Magdeburg, Halle, Erfurt, Schwerin und Chemnitz (Karl-Marx-Stadt) – erfüllten vor allem soziale Aufgaben und lotsten ihre Mitglieder, meist traumatisierte Lagerüberlebende, mehr schlecht als recht durch die schlechte Versorgungslage der SBZ.

Der Hauptausschuss der Opfer des Faschismus (OdF), in dem Kommunisten das Sagen hatten, schlossen in der SBZ schon im Juli 1945 Juden und Zeugen Jehovahs von der Kategorie der antifaschistischen Kämpfer aus. Diese hätten zwar (O-Ton): »Schweres erlitten, aber sie haben nicht gekämpft«.

Nach dem Tod Stalins im März 1953 wurden inhaftierte Juden zwar freigelassen und die Mehrheit der jüdischen Ex-Parteimitglieder rehabilitiert. Doch die Verunsicherung und Erstarrung blieb. Die DDR verstand sich nicht als direkter Nachfolgestaat des „Dritten Reiches“. Dies hatte auch Einfluss auf die materielle Wiedergutmachung. Eine finanzielle Entschädiung für jüdische Opfer war nicht in allen Fällen ohne Probleme möglich. Für einige, die als Opfer anerkannt wurden, gab es Rentenzahlungen und sie konnten soziale Vergünstigungen erhalten. Jedoch wurde "arisiertes" Eigentum nicht erstattet.

Die immer kleiner werdenden Gemeinden erhielten staatliche Zuschüsse für den Erhalt der Synagogen und Friedhöfe. In Berlin wurden ein Altersheims, eine koschere Metzgerei und die Instandhaltung des weiterhin genutzten jüdischen Friedhofs in Berlin-Weißensee finanziert. Seit 1961 erschien das "Nachrichtenblatt" des Dachverbandes der Jüdischen Gemeinden der DDR als Informationsorgan.